Lyme
Borreliose
Die Lyme Borreliose ist neben der Frühsommer-Meningoencephalitis (FSME)
die wichtigste von Zecken übertragbare Erkrankung in Deutschland. Bei
beiden handelt es sich um Infektionserkrankungen, bei der die Erreger durch
den Stich von Zecken auf den Menschen übertragen werden. Während
die FSME eine Viruserkrankung ist, die nur in bestimmten Regionen Deutschlands
auftritt, ist die Lyme Borreliose eine Infektion mit Bakterien, die überall
in Mitteleuropa auftreten kann. Gegen FSME gibt es einen wirksamen Schutz,
die Impfung. Bei der Lyme Borreliose gibt es jedoch keine Impfung. In den
USA gab es zwar Versuche mit einer Impfung, die durchaus wirksam waren, aber
2001 wegen Nebenwirkungen und schlechter Wirtschaftlichkeit wieder aufgegeben
wurden (Hayes & Piesman 2003).
Diese Impfung war zudem nur gegen Borrelia burgdorferi wirksam, dem
in den USA dominierenden Erreger der Lyme-Borreliose. Borrelia burgdorferi
spielt in Mitteleuropa nur eine untergeordnete Rolle. In Mitteleuropa
gibt es, im Gegensatz zur USA, vier verschiedene Borrelien Arten, die
humanpathogen (für den Menschen schädlich) sind. Vor allem B.
afzelii und B. garinii sind die wichtigen Auslöser einer
Lyme Borreliose. In einer epidemiologischen Untersuchung fanden Fingerle
et al. (2008) eine Häufigkeit von 67 % für B. afzelii, 24
% für B. garinii und nur 6 % für B. burgdorferi an
Hautisolaten. Die amerikanische Impfung hätte also wahrscheinlich hier
bei uns so gut wie gar nicht gewirkt. Vielmehr ist mit einer wirksamen
Antibiotikatherapie eine ausreichende Behandlung vorhanden, so dass das
Impfrisiko als relative Gegenanzeige gesehen werden kann.
Dass unterschiedlichen Borrelien-Arten in den USA und Mitteleuropa eine Lyme
Borreliose auslösen, zeigt sich auch an den Symptomen dieser Erkrankung.
Während in Mitteleuropa die Acrodermatitis chronica atrophicans
(eine Hauterkrankung) und das Lymphozytom (Lymphzellen Erkrankung) relativ
häufig auftreten, sind sie in den USA so gut wie unbekannt. Auch andere
Erkrankungsbilder der Lyme-Borreliose wie das Erythema migrans
(Wanderröte, ein Hautsymptom), Arthritis (Gelenkentzündung) oder
neurologische Erkrankungsformen unterscheiden sich deutlich zwischen den
USA und Mitteleuropa.
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Abb. 1 Erythema
migrans bei einem 58 jährigen Waldarbeiter nach Zeckenstich in einer
Schürfwunde der rechten Wade etwa 10 Tage vorher |
Abb. 2 Nahaufnahme des
Erythema migrans mit zentraler Blaufärbung durch die
Schürfwunde und peripherer Rötung durch die
Wanderröte |
Nach unserer Erfahrung tritt in etwa 90 % der Fälle das Erythema
migrans als Erstymptom auf (siehe Photos). Es handelt sich um eine typische,
von der Einstichstelle weg "wandernde" Rötung, die örtlich leichten
Schmerz oder manchmal Juckreiz verursacht. Zu diesem Zeitpunkt sind die
Laborwerte oft noch nicht verändert, so dass man alleine anhand des
klinischen Bildes auf eine Lyme Borreliose hin behandelt. Klinisches Bild
plus Zeckenanamnese machen bei rechtzeitiger Diagnose weitere Laboruntersuchungen
auch überflüssig, da bei sorgfältiger Anamanese und Untersuchung
nur selten Zweifel an der Diagnose bestehen.
Laboruntersuchungen führen zudem nur zur Verunsicherung des Patienten
und bewirken viel zu oft einen unnötigen Schlepp weiterer,
kostenträchtiger, aber sinnloser Untersuchungen. Von daher ist unseres
Erachtens bei typischem Verlauf und kunstgerechter Behandlung eine Blutentnahme
nicht notwendig und beschränkt sich ausschießlich auf komplizierte
Verläufe oder fragliche Fälle.
In den USA wird zur Zeit (Juli 2020) eine Infektion bevorzugt mit einer
Einmaldosis 200 mg Doxycyclin behandelt, wenn die Behandlung innerhalb von
72 Stunden erfolgt. Dies ist wohl auch sehr erfolgreich und eine ausreichende
Behandlung. Da wir in Mitteleuropa ein anderes Erregerspektrum haben, wird
hier anders therapiert. Bevorzugt kommt ebenfalls Doxycyclin zum Einsatz,
allerdings über einen längeren Zeitraum. Erfahrungsgemäß
sind frühzeitig erkannte Infektionen mit einer Therapiedauer von 10
bis 14 Tagen ausreichend sicher zu behandeln.
Bei Resistenzen gegen Doxycyclin und insbesondere bei neurologischen
Komplikationen der Lyme Borreliose kommen verschiedene andere Antibiotika
zum Einsatz. Beispielsweise könnten Amoxicillin (dreimal 500 mg pro
Tag als Tablette), Ceftriaxon (einmal täglich per Infusion 2 g) oder
Cefuroxim (zweimal täglich 500 mg als Tablette) verabreicht werden,
alle jeweils über 14 Tage. Auch eine Behandlung mit Azithromycin (einmal
täglich 500 mg als Tablette, am ersten Tag 1000 mg) ist möglich,
hier wären nur 4 Tage Therapiedauer nötig. Welche Behandlung letztlich
bevorzugt wird, bleibt der individuellen Krankheitsschwere, den Vorerkrankungen
des Patienten und der Entscheidung des Arztes vorbehalten. Generelle Aussagen
lassen sich kaum fällen. Lediglich Infusionstherapien sollten kritisch
betrachtet werden. Einerseits aus wirtschaftlichen Gründen und dem für
den Patienten nicht unerheblichen organisatorischen Aufwand, andererseits
ist die Therapie mit Ceftriaxon keinesfalls nebenwirkungsarm. Dosis- und
dauerabhängig kann es, neben anderen unerwünschten Wirkungen, zur
Präzipitation (Ausfällung) eines Kalziumsalzes von Ceftriaxon in
der Gallenblase kommen. Aufgrund dieser Nebenwirkung sollte die Infusionstherapie
möglichst nur Patienten mit zentral-neurologischen Symptomen vorbehalten
bleiben oder solchen, die eine Resistenz einer Borrelien-Art aufweisen. Bei
neurologischem Krankheitsverlauf hat Ceftriaxon nämlich eine gute
Liquorgängigkeit und erreicht eine wirksame Hemmkonzentration über
einen ausreichend langen Zeitraum. Alternativ kann auch mit Cefotaxim (dreimal
2 g pro Tag) behandelt werden.
Infusionstherapien mit den o. g. Cephalosporinen sind also möglichst
auf Patienten mit nachgewiesenen Resistenzen oder neurologischer Manifestation
zu beschränken. Eine Infusion bei grundsätzlich jeder Lyme Borreliose,
wie es hin und wieder geschieht, ist weder evidenz-basiert noch
wirtschaftlich.
Zur Diagnostik und Therapie der Lyme-Borreliose ist es empfehlenswert, die
Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie als Grundlage zu
nehmen, da diese bemüht sind, evidenzbasiert Empfehlungen zu geben.
Als pdf-Datei unter diesem Link abrufbar:
Leitlinien
der DGN.
Falls Sie Beratung, Diagnostik oder Therapie wünschen, lassen Sie sich
einen Termin für die Privatsprechstunde geben.
Literatur
Fingerle, V., Schulte-Spechtel, U. C., Ruzic-Sabljic, E., Leonhard, S., Hofmann,
H., Weber, K., Pfister, K., Strle, F. & Wilske, B. 2008: Epidemiological
aspects and molecular characterization of Borrelia burgdorferi s.l.
from southern Germany with special respect to the new species Borrelia
spielmanii sp. nov. Int. J. Med. Microbiol., 298 (34),
27990.
Hayes, E. B. & Piesmann, J. 2003: How we can prevent Lyme disease?
N. Engl. J. Med., 348, 24242430. |
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